15 Prozent für die 15 Prozent

Der Gipfel ist Geschichte, die Arbeit geht weiter
Vortrag von André Nowak, stellv. Vorsitzender des ABiD-Instituts Behinderung &
Partizipation e.V. (IB&P), über den Global Disability Summit 2025 auf dem ABiDVerbandstag am 24.05.2025 in Berlin
Vom 1. bis 3. April 2025 fand in Berlin der Global Disability Summit 2025 (GDS 2025) statt.
Diesen dritten Weltgipfel für die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat das
Bundesentwicklungsministerium (BMZ) als Vertreter der Bundesrepublik Deutschland
gemeinsam mit den Co-Gastgebern Jordanien und der International Disability Alliance (IDA)
ausgerichtet.
Das internationale Gipfeltreffen hatte das Ziel, die weltweite Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention entwicklungspolitisch voranzubringen, im Mittelpunkt standen
also die Artikel 11 und 32 der UN-Behindertenrechtskonvention.
Beim GDS handelt es sich um einen fortlaufenden globalen Mechanismus, um konkrete
Maßnahmen mit dem Ziel der vollständigen Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention
durch sogenannte Commitments (Verpflichtungen) zu verstärken. Er bietet Regierungen,
internationalen Organisationen, dem Privatsektor, der Zivilgesellschaft und Organisationen
von Menschen mit Behinderungen (OPDs) eine Plattform, um formelle, umsetzbare
Verpflichtungen zur Förderung der Inklusion von Menschen mit Behinderungen einzugehen.
(siehe Webseite des BMZ)
Zu dem Gipfel kamen über 3.000 Teilnehmende nach Berlin. Das waren offizielle Vertreter der
Parlamente und Regierungen, Vertreter von Behindertenorganisationen, von verschiedenen
nationalen und internationalen Institutionen sowie aus der Wirtschaft. Darunter waren auch
Vertreter vom ABiD und vom IB&P und unsere Partner aus acht Staaten in Osteuropa und
Zentralasien. Deutschland war u.a. mit dem noch amtierenden Bundeskanzler Olaf Scholz und
der Bundesministerin Svenja Schulze vertreten.
Mit einem starken Fokus auf nationale Eigenverantwortung und eine inklusive internationale
Zusammenarbeit endete der GDS 2025 mit der Verabschiedung der Amman-Berlin-Erklärung
und über 800 neuen Verpflichtungen von Regierungen, dem Privatsektor und
Entwicklungspartnern zur Beschleunigung der Inklusion von Menschen mit Behinderungen in
allen Sektoren.
Die „Amman-Berlin Declaration on Global Disability Inclusion“ ist eines der wichtigsten
Ergebnisse des GDS 2025. Sie enthält starke Verpflichtungen für die internationale
Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe unter Einbeziehung von Menschen mit
Behinderungen. Die Erklärung betont auch die Bedeutung eines sinnvollen Engagements der
Behindertenorganisationen und zielt darauf ab, wirkungsvolle Partnerschaften zu fördern.
Unter der Überschrift „Unsere Vision für eine inklusive Welt“ heißt es in dieser Erklärung (ich
zitiere):

„Unsere Vision ist eine Welt, in der alle Menschen mit Behinderungen, auch Frauen und Kinder
mit Behinderungen, ihre bürgerlichen, politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen
Rechte wahrnehmen können und in der alle Barrieren beseitigt sind, die Menschen mit
Behinderungen an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft
hindern.
Unsere Vision ist eine Welt, in der die Inklusion von Menschen mit Behinderungen ein
grundlegender Bestandteil der internationalen Zusammenarbeit und insbesondere der
internationalen Entwicklungsmaßnahmen und humanitärer Maßnahmen ist.
Wir stellen fest, dass die internationalen Entwicklungsprogramme die Anstrengungen zur
Verfolgung der Inklusion von Menschen mit Behinderungen und zur wirksamen Einbindung
von Selbstvertretungsorganisationen von Menschen mit Behinderungen beschleunigen
müssen.
Wir bekräftigen die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, die Ziele für nachhaltige
Entwicklung und die entsprechenden Grundsätze, niemanden zurückzulassen und diejenigen
zuerst zu erreichen, die am weitesten zurückliegen.“
Zu den Verpflichtungen der Erklärung zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen gehören
zwei spezifische Ziele für die internationale Entwicklungszusammenarbeit. Demnach werden
die Unterzeichner der Erklärung:
• sich erstens dafür einsetzen, dass alle ihre internationalen Entwicklungsprogramme für
Menschen mit Behinderungen inklusiv und zugänglich sind, indem sie aktiv einen
positiven Beitrag zur inklusiven und vollständigen Gleichstellung und zur
Nichtdiskriminierung leisten,
• und zweitens sicherstellen, dass mindestens 15 Prozent der internationalen
Entwicklungsprogramme, die auf Länderebene durchgeführt werden, die Inklusion von
Menschen mit Behinderungen als Ziel verfolgen.
Mit dem „15 Prozent für das 15-Prozent-Ziel“ will die Amman-Berlin-Erklärung erstmals ein
quantifizierbares Ziel für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen auf globaler Ebene
festlegen. Bis zum 4. Weltgipfel im Jahr 2028 soll dieses Ziel erreicht werden. – Zum Vergleich:
In Deutschland liegen wir derzeit bei ca. 7 Prozent.
Die Erklärung haben mit Stand 29. April 2025 insgesamt 74 Staaten sowie 18 internationale
Organisationen und 7 Entwicklungshilfe-Banken unterzeichnet, darunter Deutschland, viele
weitere EU-Staaten und von unseren Partnerländern Armenien, Kasachstan, Moldova und die
Ukraine.
Neben dem Deutschen Behindertenrat hat auch das ABiD-Institut Behinderung & Partizipation
eine Selbstverpflichtung zum GDS 2025 abgegeben. Darin verpflichten wir uns im Sinne der
Amman-Berlin-Erklärung, unsere Zusammenarbeit mit Behindertenorganisationen in
Osteuropa und Zentralasien zu intensivieren sowie den Kreis der an der Zusammenarbeit
beteiligten Behindertenorganisationen – auch aus anderen Staaten – zu erweitern, mit dem
Ziel, einen wirksamen Beitrag zur Umsetzung dieser Erklärung, der Agenda 2030 und der UNBehindertenrechtskonvention zu leisten.
Im Vorfeld des Global Disability Summit fand am 6. Dezember 2024 in Berlin ein Europäischer
Regionalgipfel für Menschen mit Behinderungen unter Einbeziehung Zentralasiens statt. Daran
nahmen über 300 Personen in Präsenz und ca. 500 Personen online teil.

Diese Konferenz wurde vor allem vom Bundesministerium für Soziales und Arbeit zusammen
mit dem Europäischen Behindertenforum EDF und dem Deutschen Behindertenrat organisiert.
Auf Grund unserer Kompetenz und unserer langjährigen Kontakte zu den
Behindertenorganisationen in Osteuropa und Zentralasien wurden wir in die Vorbereitung und
Organisation dieser Veranstaltung aktiv einbezogen.
Zu diesem Regionalgipfel gibt es auf der Webseite des BMAS ein 22-seitiges Ergebnisdokument
unter der Überschrift „Die Zukunft der behindertengerechten internationalen
Zusammenarbeit und humanitären Hilfe in Europa und Zentralasien“. Dieses Dokument
möchte ich hiermit ausdrücklich empfehlen, aber aus Zeitgründen nicht näher darauf
eingehen.
Laut einer Kleinen Anfrage der Linken unter der Überschrift „Der Global Disability Summit 2025
und der European Regional Disability Summit 2024 in Deutschland“ auf Drucksache 20/15108
wurden für den GDS 2025 insgesamt 27,9 Millionen Euro durch das Bundesministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit zur Verfügung gestellt und für den Europäischen
Behindertengipfel am 6. Dezember 2024 rund 600.000 Euro aus dem Bundesministerium für
Arbeit und Soziales. Das ist viel Geld und deswegen gestatte ich mir die Frage: Außer Spesen
nichts gewesen? Ich hoffe nicht!
Ich meine, es war gut, dass der Weltgipfel stattgefunden hat. Aber das ist erst der Beginn der
Arbeit. Den vollmundigen Worten der Bundesregierung und der anderen Teilnehmenden, den
abgegebenen und unterzeichneten Erklärungen und Selbstverpflichtungen müssen nun Taten
folgen.
Aber auch wir sind gefordert und gefragt!
Die UN-Behindertenrechtskonvention wurde von Behindertenorganisationen aus der ganzen
Welt in New York erkämpft, auch von Behindertenaktivisten aus Deutschland. Seit der
Verabschiedung am 13.12.2006 haben 185 Staaten und die EU die BRK unterzeichnet bzw.
ratifiziert.
Es fehlt leider die USA. Die USA hat auch die Amman-Berlin-Erklärung nicht unterzeichnet.
Stattdessen hat ihr Präsident Donald Trump per Dekret der Entwicklungsagentur USAID 40
Milliarden Dollar Entwicklungshilfe gestrichen und will diese Institution, mit deren Hilfe
Projekte in 130 Ländern unterstützt wurden, gänzlich auflösen. Das betrifft auch viele
Menschen mit Behinderungen und deren Organisationen.
In Deutschland ist die BRK seit März 2009 innerstaatliches Recht. Und bei aller Kritik über die
ungenügende und viel zu langsame Umsetzung möchte ich behaupten, dass die Menschen mit
Behinderungen in Deutschland ohne diese UN-BRK noch viel schlechter leben würden. Mit
dieser Konvention im Rücken haben wir uns in den vergangenen 15 Jahren Vieles erkämpft.
Und ich behaupte, wir haben nur Erfolg, wenn diese Konvention weltweit umgesetzt wird. Wir
brauchten also die internationale Zusammenarbeit nicht nur in der Phase der Erarbeitung der
BRK, sondern auch jetzt, wenn es um die Umsetzung geht. Auch hier gilt unser Motto: „Nichts
über uns ohne uns!“ und „Gemeinsam sind wir stark!“.
Deshalb danke ich auch Hanni Rossek und dem Behindertenverband Waren/Müritz für ihre
langjährige Zusammenarbeit mit dem Behindertenverband in Poltava und die solidarische
Unterstützung von Menschen mit Behinderungen in der Ukraine.
Und deshalb möchte das ABiD-Institut auch in diesem Jahr dem Behindertenverband in
Kirgistan mit einer barrierefreien Sanitäranlage in ihrer Werkstatt in Bischkek helfen.

Zum Abschluss habe ich noch eine Bitte. Wir hatten auf dem GDS auch ein Treffen mit der
Delegation des Behindertenverbandes aus Kuba „aclifim“. Deren Präsidentin Mabel Ballesteros
Lopes hat nach dem Treffen herzliche Grüße aus Kuba übermittelt und ihren Wunsch auf eine
Zusammenarbeit mit uns bekräftigt. Dafür möchte ich gern werben, da gerade auch Menschen
mit Behinderungen unter der schwierigen Situation in Kuba leiden, die vor allem durch die nun
schon seit Jahrzehnten anhaltende Blockade Kubas und die massiven Sanktionen durch die
USA verursacht wurden.
Und es gibt eine Aktion von Cuba sí, eine Arbeitsgruppe der Linken, die seit vielen Jahren ganz
praktische Solidaritätsaktionen organisiert. Sie wollen bis zum 26. Juli dieses Jahres – an dem
Tag findet in Berlin die schon traditionelle „Fiesta de Solidaridad“ anlässlich des 72. Jahrestages
des Sturms auf die Moncada statt – 72 Rollstühle, Rollatoren und Gehhilfen sammeln und diese
mit einem Schiffscontainer nach Kuba schicken. Vielleicht können wir, könnt ihr einige solcher
noch gut erhaltenen Geräte dafür spenden.

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Die Weiterbildung wird im Rahmen der Selbsthilfeförderung nach § 20 c Sozialgesetzbuch V finanziert durch den BKK Dachverband .