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Beispiel, warum Nichtdiskriminierung im Falle einer Triage so wichtig ist

Veröffentlicht am 27.11.2022
Berlin (kobinet)
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 25. November der vom Bundestag beschlossenen
Änderung des Infektionsschutzgesetzes mit Regelungen im Falle einer Triage zugestimmt.
Eine Reihe von behinderten Menschen und Verbände hatten sich gegen die ihrer Meinung
nach viel zu schwachen Regelungen gewehrt. Eine davon ist Nancy Poser, die nun einen
Hassbrief für ihr Engagement bekommen hat. Diesen hat sie auf Facebook mit einem
Kommentar geteilt, da er ihrer Meinung nach sehr deutlich macht, warum klare
menschenrechtliche Regelungen für den Fall einer Triage dringend benötigt werden.
„Mich hat heute ein Brief erreicht, den ich hier teilen möchte. Denn ich möchte mich bei
dem/der Absender/Absenderin bedanken. Die Person war aber leider zu feige, eine echte
Identität anzugeben, weshalb ich Social Media nutzen muss“, schrieb Nancy Poser am 25.
November 2022 auf Facebook. Und weiter berichtet sie:
„Also, liebe/r Verfasser-/in, ich möchte mich dafür bedanken, dass Sie mir und vielleicht auch
einigen Leser*innen hier nochmal vor Augen führen, warum Menschen mit Behinderung
eigentlich so vehement gegen das nun beschlossene #Triagegesetz und das darin
enthaltene – einzige – Kriterium der subjektiv zu beurteilenden Überlebenswahrscheinlichkeit
sind. Und warum eigentlich jeder humanistisch gebildete Mensch ebenfalls nicht nur
Bauchschmerzen, sondern Bauchkrämpfe haben sollte, bei dem Gedanken an ein Gesetz,
welches vermeintlich stärkere Menschen bei der Frage der Nutzung ihrer Chance auf Leben
vermeintlich schwächeren Menschen vorzieht – wohlgemerkt, Menschen, die ebenfalls noch
eine Überlebenschance haben.
Erstaunlicherweise scheinen Sie verstanden zu haben, welche Tür das Gesetz – sollte es
Bestand haben – öffnen würde. Sie fassen es schön in einem Satz zusammen: ‚Wir können
uns das nicht länger leisten euch [Behinderte] mit durchzuschleppen, kostet alles zuviel‘.
Diesen Gedanken gab es in Deutschland schon mal und genau deshalb schützt unser
Grundgesetz die Menschenwürde eines jeden Einzelnen und opfert sie nicht für das Wohl
einer größeren Anzahl anderer Menschen. So war das zumindest bisher. Und Ihr Brief zeigt
mit nicht zu überbietender Deutlichkeit, warum an diesem verfassungsrechtlichen Grundsatz
festzuhalten ist.
Deshalb möchte ich Ihre geistigen Ergüsse hier teilen“, schreibt Nancy Poser und
veröffentlichte folgenden Brief, der sie an ihrer Arbeitsstelle erreichte:
„Sehr geehrte Frau Behinderte Poser,
sagen Sie bitte, geht’s noch ? Wenn ich richtig informiert bin, sind Sie die treibende Kraft
hinter diesem Blödsinn mit den Intensivbetten, Glauben Sie allen Ernstes, im Falle des Falles
landen Sie in einer Intensivstation ? Wenn ein junges verletztes Opfer eingeliefert wird, was
deutlich bessere Überlebenschancen hat ? Ich lach mich tot…..

Ihr Behinderten geht mir auf die Nerven. Extrem. muss sich nicht alles um Euch paar
Hansels drehen! Ihr habt zwar die mediale Aufmerksamkeit, das nützt euch aber nicht viel.
Irgendwann ist doch mal gut, oder ? Wir können uns das nicht länger leisten euch mit
durchzuschleppen, kostet alles zu viel.
Gehen Sie mit ihrem komischen Rollator Blumen züchten oder machen Sie sonst was , aber
erzählen Sie keinen fachlichen Müll, sie haben von Intensivmedizin keine Ahnung,
Zufallsprinzip….. Sie haben für mich einen ganz gewaltigen Dachsch…, äh ein Problem. Es
muss immer um die bestmögliche Überlebenschance gehen, um nix anderes, DAS gilt dann
auch für Sie ! Wenn die Ressourcen nicht reichen, ist das dann halt so.
Bitte bitte Mund halten!“
So der Text des Briefes, den Nancy Poser mit der Post erhalten hat.
„Vielleicht verstehen nach diesem Post einige Politiker, wofür sie da eigentlich gestimmt
haben. Für welche Art von Gesellschaft. Survival of the fittest. Utilitarismus. Verabschiedung
von der Menschenwürde des Einzelnen. Ich hoffe, dass das Bundesverfassungsgericht die
Büchse der Pandora schnellstmöglich wieder schließt. Und das hoffe ich nicht nur als
‚Behinderte Poser‘, sondern als Juristin und vor allem als Teil der Gesellschaft“, so der
Kommentar von Nancy Poser, der bereits einige Diskussionsbeiträge aufweist.
Link zum Facebook-Post von Nancy Poser mit dem Brief
Der ABiD e.V. wird auf jeden Fall auf diesem Gebiet weiter tätig werden, erklärt der
Pressesprecher Jörg Polster.
Der Vorsitzende des Verbandes, Marcus Graubner, versichert, das Thema in weiteren
Gesprächen mit den Bundestagsfraktionen aufzugreifen sowie fortzuführen.