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Behindertenverband über Grenzen, ABiD-Bundesvorsitzender Marcus Graubner macht sich für junge Tadschikin stark

Marcus und Lolita Graubner sind selbst körperlich beeinträchtigt und doch helfen sie regelmäßig anderen. Als Vorsitzender des Allgemeinen Behindertenverbandes in Deutschland arbeitet Marcus Graubner auch mit Behindertenverbänden in postsowjetischen Staaten zusammen und lernte jetzt eine junge Frau kennen, die – so wie er und Ehefrau Lolita – kämpft.

Tangerhütte l Maghfirat Mirzo aus Tadschikistan ist 25 Jahre alt. Als sie zur Welt kam, ließ eine Geburtshelferin das neugeborene Mädchen fallen, dessen Hüfte ist bis heute so deformiert, dass sie ohne Gehhilfen nicht laufen kann. Medizinische Hilfe bekam sie in ihrer Heimat nicht, die ist bis heute vor allem eine Geldfrage.

Welchen Lebensweg behinderte Menschen in den postsowjetischen Staaten gehen mussten und vor allem wie es dort mit der Arbeit von Behindertenverbänden aussieht, damit setzt sich auch der Tangerhütter Marcus Graubner auseinander. Als Vorsitzender des Allgemeinen Behindertenverbandes in Deutschland (ABiD) ist er nicht nur Ansprechpartner für Problemfälle im eigenen Land, sondern schaut auch immer über den Tellerrand hinaus.

Barrierefreier Tourismus und Sozialsysteme

In Kürze wird er in Kasachstan einen Vortrag über barrierefreien Tourismus halten und wirbt auch in anderen Ländern für Standards in der Barrierefreiheit. Geplant sind in Zukunft weitere Konferenzen, unter anderem, um in ganz Europa die Sozialsysteme für Menschen mit Behinderung anzupassen. Vieles werde heute nicht mehr allein in Deutschland entschieden und um ein „Player“ auf europäischer Ebene zu sein, müsse man sich noch mehr bewegen, sagt Marcus Graubner.

Bei einer ABiD-Konferenz in Berlin, bei der es gezielt um Länder wie die Ukraine, Aserbaidshan, Tadschikistan, Armenien und Kasachstan ging, lernte er vor kurzem Maghfirat kennen und erfuhr ihre Geschichte.

Die junge Frau, die in einem kleinen Dorf in den tadschikischen Bergen, auf etwa 4000 Metern Höhe, groß wurde und in einem Land, in dem der Islam regiert, habe zu Hause keine Chance auf Hilfe gehabt, erzählt er. Denn dort sei der Zugang zu medizinischen Leistungen nach wie vor eine Geldfrage. Also verließ sie ihr Dorf, nahm Kontakt zum Behindertenverband in Tadschikistan auf und arbeitet inzwischen für diesen. Weil sie ihren Weg ging, lernte sie auch andere Menschen mit Beeinträchtigung kennen. So wie Marcus Graubner und seine Frau Lolita.

Beide sind selbst schwer beeinträchtigt und wissen, was ein Leben mit Behinderung bedeutet. Für Marcus Graubner ging es – wie für Maghfirat – schon mit der Geburt los. Er ist von Anfang an spastisch gelähmt und kämpft sein Leben lang um größtmögliche Normalität. Ehefrau Lolita hat Multiple Sklerose und kämpft täglich gegen eine Verschlimmerung der Krankheit an. Als Rechnungsprüferin steht sie ihrem Mann im Behinderternverband trotz allem zur Seite.

Marcus Graubner ist ganz Feuer und Flamme von der Idee, der jungen Frau aus Tadschikistan vielleicht zu einem halbwegs normalen Leben verhelfen zu können. Sie sei eine aufgeklärte Muslima und ausgesprochen selbstlos, erzählt er. Zwar hoffe die junge Frau natürlich auf Hilfe, wenn es medizinisch aber keine guten Aussichten für die Wiederherstellung der Hüfte geben sollte, dann solle das Geld jemand anderem zugutekommen, sagt sie schon jetzt.

Im April wird sie noch einmal zu einer Konferenz nach Deutschland kommen, dann soll auch eine Hilfsaktion für sie anlaufen, und wenn alles klappt, auch gleich die Operation der Hüfte. Mit vielen Freunden und Bekannten hat Marcus Graubner schon gesprochen und Hilfe zugesagt bekommen, auch eine Stendaler Orthopädin und Sängerin Anna-Carina Woitschack, die zugleich Botschafterin des ABiD ist, haben ihre Unterstützung angekündigt. „Wir leben in einem System, das gesundheitliche Probleme auffängt und behandelt – auch ohne eigenes Geld, das weiß ich aus eigener Erfahrung“, so Marcus GRaubner.

Und er weiß noch etwas anderes: Dass er selbst viel Glück hatte mit seinem Lebensumfeld. „Tangerhütte ist meine Stadt, hier waren und sind alle für mich da, wenn ich Hilfe brauche. Ich fühle mich hier sehr gut aufgehoben, auch Wildfremde helfen mir auf, wenn es nötig ist.“ Heute kommen Menschen, die Hilfe brauchen, zu ihm und er gibt gerne etwas zurück.

Benefizveranstaltung im Kulturhaus geplant

Sein Engagement für Maghfirat sieht er selbst auch als eine Form, den eigenen Horizont zu erweitern, „wie sonst würden wir hier in Tangerhütte über eine junge Frau aus den Bergen Tadschikistans nachdenken?“, fragt er. Die Arbeit der Behindertenverbände, aber auch die junge Frau selbst, die sich auf den Weg gemacht hat, würden Veränderungen ermöglichen.

„Ich will auch zeigen, dass so etwas machbar ist. Das Solidarprinzip ist Aufgabe der ganzen Gesellschaft.“ Die Operation für Maghfirat, die in Deutschland stattfinden soll, kostet natürlich auch Geld und deshalb sammelt der Allgemeine Behindertenverband nicht nur Spenden, sondern organisiert auch eine Benefizveranstaltung am 21. März im Tangerhütter Kulturhaus. Dort soll zusammen mit der Elterninitiative Kinderträume Tangerhütte, dem Interessenkreis Kulturhaus und verschiedenen DJs eine Veranstaltung auf die Beine gestellt werden, die ganz dem Hilfsprojekt zugutekommt. Auch Maghfirat soll per Videoschaltung dabei sein. Wer direkt für die Operation spenden möchte, kann das unter folgenden Kontoverbindungen tun: IBAN: DE11 1002 0500 0003 3225 00 BIC: BFSWDE33BER

Volksstimme vom 20.9. Von Birgit Schulze